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Lux aeterna

Mit sanften und leuchtenden Klängen werden Sie begrüsst und auch wieder entlassen an unserem nächsten Konzertabend – dazwischen aber versetzen wir Sie ins Jahr des Herrn 1727.

Die Menschen in Rom – und allen anderen katholischen Landen – freuen sich, denn soeben hat Papst Benedikt XIII. einen weiteren arbeitsfreien Tag verkündigt. Der neue Feiertag heisst „Fest der sieben Schmerzen Mariens“, und er soll am Freitag zwischen Passions- und Palmsonntag gefeiert werden. Lange hat sich der Papst dagegen gesträubt, dieses Fest einzuführen, ist es doch ein Zugeständnis an die Volksfrömmigkeit. Der Servitenorden hatte die Idee dazu bereits im Jahre 1667 und damit seit Jahren Scharen von spendenwilligen Gläubigen aus dem Petersdom in ihre Klosterkirche gelockt.

Die Legende sagt, den Anstoss zur Anerkennung als offizieller Feier- und Gedenktag habe ein musikalisches Werk gegeben. Domenico Scarlatti stand seit dem Jahre 1713 in den Diensten des Papstes, zuerst als Vice-, dann als oberster Maestro di Capella. In den letzten Jahren seiner Tätigkeit in Rom schuf er ein zehnstimmiges „Stabat Mater“ für das in ganz Italien berühmte Ensemble des Petersdoms, die „Capella Giulia“. Er soll damit seinen Arbeitgeber so tief beeindruckt haben, dass dieser die Gelegenheit ergriff und das mittelalterlichen Gedicht als eigene Sequenz dem neuen Feiertag zuordnete.

Und in der Tat: die visionäre Weite und Phantasiefülle verhelfen dem „Stabat Mater“ zu einer einzigartigen Stellung inmitten der übrigen Kompositionen Scarlattis. Sein grosser Umfang, seine einzigartige räumliche Anlagen, sein zupackender, dramatischer Schwung, seine lyrische Anmut – dies alles verbunden durch klare stilistische Einheit und höchst organische Anordnung trotz der in den Klangfarben beschränkten Mittel – stellen es in den Kreis der ganz grossen architektonischen Musikschöpfungen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Bitterhart bis weinerlich mutet uns die „Stabat Mater“-Dichtung aus heutiger Sicht an, welche sich in den Seelenzustand einer Mutter zu versetzen sucht, die ihren Sohn auf unmenschliche Weise verliert. Diese Worte, vertont im schmerzhaft dissonanzenreichen und hochkomplex-antiquierten „stile ecclesiastico“, wollen wir in einem einzigartigen Konzert-Experiment überführen in eine licht- und friedvolle Transzendenz. Wohl noch nie ist Scarlattis Meisterwerk so übergangslos kombiniert worden mit Musik, deren Tinte noch kaum getrocknet ist, mit Kompositionen, geprägt von Intensität und Schönheit, ohne Scheu vor Konsonanzen, so wenig avantgardistisch zu nennen in unserer, wie Scarlattis Werk zu seiner Zeit.

"Ich versuche, Musik zu komponieren, die ehrlich ist, strukturell solide, gut geschrieben. Ich habe das Bild eines Schwans im Kopf, der scheinbar mühelos über den See gleitet, doch unter Wasser paddeln fleissig die Schwimmfüsse", so Eric Whitacre bescheiden über seine kompositorischen Welterfolge. „Und das ewige Licht leuchte ihnen“ – in Morten Lauridsens Stück kommen uns die tröstlichen Teile des Requiemtextes in überwältigendem Wohlklang entgegen, in perfekt ausbalancierten Harmonien, in konfliktfreiem Melodieduktus mit gregorianischem Anklang.

Wenn eine Musik uns aus dem musikalisch-theologischen Jammertal wieder herausreissen kann, dann diese...

Tobias von Arb

Wann und wo?